Stellungnahme der FWG-Fraktion zu den Anträgen der Gruppe ZIN19 hinsichtlich der Anschaffung mobiler Luftfiltergeräte für Schulen, Kindergärten und OGS vom 17.11. und 24.11.2020 (2)

Die FWG-Fraktion begrüßt zunächst die Tatsache, dass die Gruppe ZIN19 auch den Schutz der Kinder und Jugendlichen unserer Gemeinde in dieser Corona-Pandemie im Blick hat.
Der derzeitige 2. Lockdown ist ja offensichtlich auch der Angst vor den seit dem Herbst in Südafrika, Großbritannien/Irland und Brasilien aufgetretenen Varianten des SARS-CoV-2 Virus geschuldet. Diese scheinen noch erheblich virulenter zu sein und auch verstärkt gerade bei Kindern und Jugendlichen aufzutreten. Diese erkranken, zeigen jedoch im Wesentlichen leichtere Symptome und nicht so schwere Verläufe.
Nach Angaben von Prof. Dr. Markus Knuf, Klinik-direktor der Klinik für Kinder und Jugendliche in den Helios Dr. Horst Schmidt Kliniken in Wiesbaden mussten bis Ende Oktober 2020 von den ca. 15 Mio.
derzeit in Deutschland lebenden Kindern nur 235 stationär mit einer Sars-CoV-2 Infektion aufgenom-men und behandelt werden. Ein Kind mit Vorerkrank-ung verstarb.
Trotz dieser zum Nachdenken zwingenden Ent-wicklung kann die FWG den Antrag der ZIN 19 Gruppe nicht unterstützen. Folgende Recherchen haben uns dazu gebracht:


1.
In einer Veröffentlichung vom 08.11.2020 steht das Umweltbundesamt einem generellen Einsatz mobiler Luftreinigungsgeräte kritisch gegenüber und hält ihn lediglich in Ausnahmefällen als zusätzliche Maß-nahme für gerechtfertigt. Die Wirksamkeit der mobilen Luftreinigungsgeräte in Hinblick auf die Reduzierung von SARS-CoV-2-Viren ist in vielen Fällen bislang nicht eindeutig nachgewiesen. Zudem beseitigen mobile Luftreiniger nicht die in Unterrichtsräumen übliche Anreicherung von Kohlendioxid (CO2), Luftfeuchte und diversen chemischen, teils geruchs-aktiven Substanzen.


2.
Die Kommission für Innenraumlufthygiene (IRK) am Umweltbundesamt (UBA) kommt in einer Stellungnahme vom 17.11.2020 zum Ergebnis:
Der Einsatz von mobilen Luftreinigern allein ist kein Ersatz für ausreichendes Lüften an Schulen. Mobile Luftreiniger wälzen die Raumluft lediglich um und ersetzen nicht die notwendige Zufuhr von Außenluft. 
Um das Infektionsrisiko mit dem SARS-CoV-2-Virus so gering wie möglich zu halten, empfiehlt die IRK weiterhin als erste und wichtigste Säule das Lüften über weit geöffnete Fenster gemäß der Handreichung des Umweltbundesamtes vom 15. Oktober 2020. 


3.

Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen führt zum Thema für das Netzwerk der Verbraucherzen-tralen in Deutschland am 16.11.2020 aus:
o Luftreiniger können Übertragungen im nahen face-to-face Kontakt (unter 1,5 m) laut Robert-Koch-Institut nicht verhindern, selbst wenn sie die Zahl der Viren in der Raumluft wirkungsvoll reduzieren.
o Gegen mit Tröpfchen kontaminierte Oberflächen hilft weder ein Luftreiniger noch Lüften, sondern Abwaschen mit Wasser und Allzweckreiniger oder Spülmittel. 
o Die mobilen Luftreiniger können laut Umwelt-bundesamt nur eine unterstützende Maßnahme sein, um Aerosole in der Raumluft zu reduzieren. Mobile Luftreiniger machen das Lüften allein deshalb nicht überflüssig, weil sie nicht in der Lage sind, ausgeatmetes Kohlendioxid gegen Sauerstoff zu tauschen und die überschüssige Feuchtigkeit im Raum abzuführen.


4.
Prof. Christian J. Kähler und Mitarbeiter von der Universität der Bundeswehr München - Institut für Strömungsmechanik und Aerodynamik – fanden im Rahmen einer Studie 2020 (Version vom 22.09.2020DOI: 10.13140/RG.2.2.11661.56802 1 Schulunterricht während der SARS-CoV-2 Pandemie ? Welches Konzept ist sicher, realisierbar und ökologisch vertretbar?) heraus:

* Raumluftreiniger und Entkeimungsgeräte mit einem Volumenstrom pro Stunde, der mindestens dem sechsfachen des Raumvolumens entspricht, und hochwertigen Filtern der Klasse H14 stellen eine sehr sinnvolle technische Lösung dar, um in Klassenzimmern die indirekte Infektionsgefahr durch Aerosole stark zu verringern.

* Es ist aber zu beachten, dass Raumluftreiniger und Entkeimungsgeräte nur geeignet sind, das indirekte Infektionsrisiko zu minimieren. Daher müssen zusätzliche Maßnahmen ergriffen werden, um auch das direkte Infektionsrisiko zu verhindern. Für die Verhinderung direkter Infektionen bieten sich Mund-Nasen-Bedeck-ungen, OP-Masken oder transparente Gesichts-visiere an.

* Den wirksamsten Schutz vor einer direkten Infektion bieten feste Trennwände zwischen benachbarten Personen, da sie für Aerosolpartikel und Viren völlig undurchlässig sind.

* Das Schutzkonzept, bestehend aus Raumluft-reiniger plus Schutzwand, erscheint aussichts-reich, da es Sicherheit vor einer direkten und indirekten Infektion verspricht, ohne dass die Kinder während des Unterrichts lästige Masken tragen müssen. Masken sind nur dann er-forderlich, wenn die Kinder ihren Platz verlassen und durch die Schule gehen.


5.
Joachim Curtius, Professor für Experimentelle Atmosphärenforschung an der Goethe-Universität Frankfurt (Die Studie wurde als Preprint am 06.10.2020 veröffentlicht, vor der Publikation in einer wissenschaftlichen Zeitschrift.) kommt in seiner Studie zu folgendem Ergebnis:
* Ein Luftreiniger reduziert die Menge an Aerosolen so stark, dass in einem geschlossenen Raum auch die Ansteckungsgefahr durch eine hoch infektiöse Person, einen Super-spreader, sehr deutlich reduziert würde. Deshalb empfehlen wir den Schulen in diesem Winter den Einsatz von HEPA-Luftreinigern mit einem ausreichend hohen Luftdurchsatz.“

* Lärmmessungen und eine Umfrage unter den Schülern und Lehrern ergaben, dass das Geräusch des Luftreinigers überwiegend als nicht störend empfunden wurde, sofern das Gerät nicht auf höchster Stufe lief.

* Neben der Infektionsgefahr senkte der Luftreiniger noch die Allergen- und Feinstaubbelastung. Joachim Curtius: „Ein Luftfilter ersetzt allerdings nicht das regelmäßige Öffnen des Fensters, wodurch die CO2-Konzentration im Raum wieder gesenkt wird. Unsere Messungen in den Klassen-zimmern haben gezeigt, dass die Werte häufig über den empfohlenen Grenzwerten lagen. Hier empfehlen wir die Installation von CO2-Sensoren, damit Schüler und Lehrer dies kontrollieren können.“


6.    Kostenermittlung der Verwaltung

Nach den gemittelten Kosten der Verwaltung sind für die Anschaffung (115 x 3000,0€ = 345.000€) und das Betreiben (Wartung + Strom 115 x 315,0€ = 36.225,0€) insgesamt ca. 380.000,0 € anzusetzen.
Die Kosten für das Betreiben der Geräte wären als zukünftige Folgekosten der Investition anzusehen.
Diese wären mit dem Vorschlag der Gruppe ZIN 19 auf den Verzicht auf Blumenampeln (ca. 25.000€) nur z.T. abzudecken.

Zum Vergleich könnten für die o.g. Summe:
> ca. 700 I-Pads zu je 550 € 
> ca. 128.000 FFP2 Masken / 79/SuS
> ca. 75.000 FFP3 Masken / 47/SuS
angeschafft werden.

Zusatzkosten für CO2-Sensoren, mögliche Plexi-glasscheiben u.a, sind hierbei noch nicht berück-sichtigt.


7.    Zeitaspekt

Die Schulen bleiben bis zum 14.02.2021 geschlossen.
Vom 29.03.-10.04. sind Osterferien in NRW. Am 02. Juli beginnen die Sommerferien. Die dauern ca. 6 Wochen bis Mitte August.
Es sind also bis zu den Sommerferien noch ca. 20. Schulwochen.

Die Verfügbarkeit der Geräte in der hohen Anzahl wäre zu prüfen. Es würde wahrscheinlich noch ein Monat bis Lieferung und Aufstellung vergehen.
Beim derzeitigen Einstieg ins Impfprogramm kann davon ausgegangen werden, dass mit Beginn des neuen Schuljahres 2021/22 die Pandemie weitgehend im Griff sein sollte.


Unser Fazit:

Wir kommen insghesamt zu folgendem Ergebnis:

Eine Investition in einer Höhe von ca. 400.000 € ist für einen Zeitraum von weniger als 18 Wochen
für eine Maßnahme, die allein einen nicht ausreichen-den Schutz der Kinder und Jugendlichen vor einer Sars-CoV-2-Infektion bieten würde, unverhältnismäßig und aus Sicht der FWG eine gegenüber den Bürgern der Gemeinde Wadersloh nicht zu verantwortende Belastung des Haushaltes unserer Gemeinde.
Wir lehnen daher den Antrag der ZIN 19-Gruppe, so anerkennswert die Initiative auch ist, aus den oben dargestellten Erwägungen ab.